«Ich nehme es, wie es kommt.»

Der 30-jährige Joel Girrbach hat für die Saison 2024 den Wiederaufstieg in die höchste Profi-Golf-Tour Europas geschafft. Nach zwei Monaten auf der DP World Tour zieht er eine positive Bilanz.

Als Gewinner des Swiss-Challenge-Turniers sorgte Joel Girrbach 2017 in Sempach für Aufsehen und machte sich in der internationalen Golfszene einen Namen als Schweizer Golftalent. Damals spielte der aus Kreuzlingen stammende Thurgauer bereits zwei Jahre im Profigolf. Trotz dem frühen Grosserfolg dauerte es weitere zwei Jahre, bis sich das Mitglied des Golfclubs Lipperswil 2019 erstmals für eine Kategorie der DP World Tour qualifizierte. Ein beachtlicher Erfolg, den Joel Girrbach seit seinen ersten Kontakten mit dem Golfsport im zarten Alter von acht Jahren angestrebt hatte.

Nach einer durchzogenen Saison 2019 verlor er die Spielerlaubnis für die DP World Tour wieder, konnte sie aber 2023 erfolgreich zurückerobern. Dafür spielte er in der European Challenge Tour über 87 Turnierrunden, schaffte bei 26 Turnieren 18 Cuts und platzierte sich fünf Mal in den Top Ten. Müde, aber glücklich startete Joel Girrbach dann im letzten Dezember mässig in die neue Saison 2024 und verpasste an drei Turnieren in Südafrika jeweils den Cut. Die Wende kam für ihn nach zwei Wochen Erholungsferien in Dubai im Januar. Danach spielte er an zwei Turnieren in Ras al-Khaimah und Bahrain um den Sieg mit und kassierte wichtige Punkte und Preisgelder von rund 76 000 Franken. Kurz vor seiner Abreise an die nächsten Turniere in Kenia und Südafrika stand uns Joel Girrbach für dieses Interview telefonisch in Kreuzlingen Rede und Antwort.

Das lange Spiel vom Tee bezeichnet
Joel Girrbach als seine grösste Stärke
in der laufenden Saison.

Das lange Spiel vom Tee bezeichnet Joel Girrbach als seine grösste Stärke in der laufenden Saison.

Joel, wie fühlst du dich nach den ersten zwei Monaten auf der DP World Tour?
Bestens, mir geht es so weit gut und ich fühle mich wohl. Ich habe die letzten Wochen viele neue Erfahrungen gemacht, neue Orte und mir bisher unbekannte Spieler kennengelernt und realisiert, dass auf der DP World Tour alles etwas grösser und professioneller organisiert ist, als ich es bisher gekannt habe.

Du spieltest die World Tour ja schon ein Jahr lang. Kommt es da auch zu Wiedersehen?
Ja klar, ein paar Spieler kenne ich noch und wir haben uns über das Wiedersehen gefreut. Aber man muss auch klar sehen: Wir sind alles Profisportler und man ist sich hier gewohnt, dass es immer wieder «Liftfahrer» gibt, die auf- und wieder absteigen.

Die Saisonplanung 2024 der DP World Tour umfasst 44 Turniere. Gibt es ein Lieblingsturnier oder einen -platz, worauf du dich besonders freust?
Jeder Golfplatz, auf dem man mal ein gutes Resultat gespielt hat, liegt einem irgendwie für immer am Herzen. Ich mag das BMW International Open im Golfclub München Eichenried gern, weil es auf einem Topplatz und mit ebensolcher Organisation durchgeführt wird. Und natürlich steht bei mir das Omega European Masters in Crans-Montana als Heimturnier hoch im Kurs.

Die Teilnahme an all diesen Turnieren kostet eine Stange Geld. Wie viel brauchst du dafür?
Ein Jahr als Profigolfer mit allem Drum und Dran, also mit Reise- und Übernachtungskosten sowie den Spesen für die Caddies, kostet mindestens 150 000 Franken.

Dann hast du mit deinem 2024 eingespielten Preisgeld schon die Hälfte der Saison finanziert?
Am Ende der Saison wird abgerechnet. Dann muss ich mindestens 400 000 Franken verdient haben. Dann habe ich nämlich so gut gespielt, dass ich in den Top 110 klassiert bin und ein weiteres Jahr auf der DP World Tour volle Spielberechtigung erhalte.

Wie sieht es bei dir mit Sponsorgeldern aus – als momentan bestem Spieler der Schweiz?
Die wirtschaftliche Situation ist derzeit für alle Unternehmen schwierig, entsprechend harzig ist es auch mit Unterstützungsgeldern. Ich bin immer auf der Suche nach neuen Sponsoren und sehr dankbar für diejenigen, die ich habe. Aber man darf sich auch nichts vormachen – Golf ist in der Schweiz immer noch eine Randsportart, in der Sponsoring reiner Goodwill ist.

Zu deinem Staff zählen vier Coaches für Golf-, Fitness- und Mentaltraining. An welchen Stärken und Schwächen arbeitest du mit ihnen?
Momentan bin ich stark vom Tee weg bis zum Green. Hier funktioniert mein Spiel also ganz gut. Beim Kurzspiel habe ich noch Potenzial – aber daran müssen eigentlich alle Golfenden immer arbeiten.

Letztes Jahr gabst du in einem Interview an, dass du einen Plan B hast, wenn es mit Plan A und dem Aufstieg in die DP World Tour nicht klappt. Hemmt ein solcher Fallschirm nicht die Leistungsbereitschaft?
Ich kann versichern, dass wir alle Profisportler sind und Ehrgeiz unser grösster Antrieb ist. Ohne diesen wäre ich heute nicht da, wo ich jetzt bin, mit oder ohne Plan B.

Was ist denn der Plan B des 30-jährigen Joel Girrbach, die Gründung einer Familie?
(lacht) Nein, meine Partnerin und ich haben uns letzten Sommer den Cockapoo-Hund Jeffrey zugelegt und er hält uns ziemlich auf Trab. Aber im Ernst: Mein Plan B ist sicherlich die Weiterführung unseres Familienbetriebes in Kreuzlingen. Aber das muss jetzt noch warten, denn ich nehme das Leben, wie es kommt.

Als derzeit erfolgreichster Schweizer Golfer fühlt sich Joel Girrbach vom GC Lipperswil auf der DP World Tour sichtlich wohl.

Als derzeit erfolgreichster Schweizer Golfer fühlt sich Joel Girrbach vom GC Lipperswil auf der DP World Tour sichtlich wohl.

INTERVIEW: THOMAS BOROWSKI | FOTOS: ZVG, AGENTUR

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