Die 25-jährige Morgane Métraux ist die erste Schweizerin, die ein Golfturnier der Ladies European Tour gewinnen konnte.
Morgane Métraux, dein Sieg bei der Ladies Open Championship in Italien wurde in den Medien als «historisch» bezeichnet. Welche Bedeutung hat der Sieg für dich persönlich? Grundsätzlich bin ich im Golfsport, um zu gewinnen, dafür trainiere ich. Von daher sind solche Siege das oberste Ziel – auf dessen Erreichen ich natürlich sehr stolz bin. Mit diesem Sieg habe ich mir einige Startmöglichkeiten für wichtige Turniere diesen Sommer sowie die Spielberechtigung für die Ladies European Tour (LET) für zwei Jahre erspielt.
Was war der entscheidende Faktor, der dir zum Sieg verholfen hat?
Die Faktoren für meinen Sieg waren vielfältig: In der Woche zuvor hatte ich sehr gut gespielt, was mir viel Selbstvertrauen gab. Dann habe ich das ganze Jahr über intensiv trainiert und technisch ist mein Spiel derzeit auf der Höhe. Dazu kommt, dass mir das Umfeld an den Ladies Italien Open im Margara Golf Club im Piemont passt – das alles zusammen hat mir geholfen, bis zum Sieg des Turnieres fokussiert zu bleiben.
Hatte der Zustand des Golfplatzes auch einen Einfluss auf deinen Erfolg?
Ja klar, im Gegensatz zu den US-Plätzen, die ich gewohnt bin, waren die Greens im Piemont weniger kompakt, was den Ball schneller stoppen liess. Und weil der Platz auch nicht allzu lang ist, kam er meinem Spiel entgegen, da konnte ich bei vielen Löchern angreifen.
Wie hast du deinen Triumph gefeiert? Und möchtest du uns verraten, was du mit dem Preisgeld von 30 000 Euro zu tun gedenkst?
Ich hatte bis heute leider noch keine Zeit, meinen Sieg zu feiern. Nach dem Turnierende am Samstag sind wir noch am gleichen Abend aus Italien zurück in die Schweiz gefahren. Am Sonntagmorgen hatte ich dann schon meinen Flug zurück in die USA, wo ich in Florida lebe und in der Woche darauf das nächste Turnier auf der LPGA Tour auf dem Programm stand. Was das Preisgeld anbelangt, wird es helfen, meine Saison mitzufinanzieren. Und ja, vielleicht leiste ich mir auch eine kleine Belohnung.
Wie hat deine Schwester und Konkurrentin Kim auf deinen Sieg reagiert? Nach der ersten Runde lag sie ja gemeinsam mit dir an der Spitze.
Mit Kim in diesem Turnier zu spielen, war wirklich genial. Sie wollte natürlich auch gewinnen, was ja normal ist. Nach der ersten Runde kam sie mit –4 auf Loch 18 und sah auf der Punktanzeige, dass ich meine Runde vor ihr mit –5 beendet hatte. Sie brauchte also ein Birdie, um zu mir aufzuschliessen – und sie schaffte es tatsächlich! Nach meinem letzten Putt war sie die Erste auf dem Green, die mir gratulierte, was mich sehr gefreut hat. Kim hat auch sehr gut gespielt und wurde am Ende Siebte.
Wie unterscheiden sich dein Spielstil und dein Charakter von denen deiner Schwester – abgesehen davon, dass Kim Linkshänderin ist?
Kim und ich haben ganz unterschiedliche Charaktere: Auf dem Platz zeigt Kim mehr Emotionen als ich. Ich dagegen versuche, gegen aussen möglichst ruhig und emotionslos zu wirken. Im Spiel sind wir ähnlich, haben in etwa die gleiche Distanz bei den Schlägen und auch sonst verfügen wir über ähnliche Qualitäten, schliesslich sind wir ja auch Schwestern.
Wie ist es, gemeinsam mit deiner Schwester Spitzensport zu betreiben und auch noch den Vater als Caddie zu haben. Könnt ihr noch ein normales Familienleben führen oder dreht sich alles um Golf?
Natürlich ist das etwas Besonderes, Golf in der Familie so intensiv und gemeinsam auszuüben. Und ja, nach einer Turnierrunde besprechen wir die Geschehnisse des Tages. Aber wir haben auch viele andere Themen abseits vom Golfsport.
Einer der Gründe, warum die südkoreanischen Golferinnen so erfolgreich sind, ist, dass ihre Eltern sie von klein auf gefördert haben. Wie bist du aufgewachsen?
Ich tausche mich mit koreanischen Spielerinnen aus und weiss, dass es nicht nur die Eltern sind, welche sie fördern. Die koreanischen Golferinnen gehen schon von klein auf in spezielle Golfschulen, wo sie rund drei Monate Unterricht haben und den Rest des Jahres nur Golf trainieren. Ausserdem gibt es in Korea keine Linkshänderinnen – sie müssen alle auf rechts spielen. Kim und ich sind ganz anders aufgewachsen. Ich habe Klavier gespielt als Hobby und bin im Alter von zehn Jahren zum Ausgleich auf den Golfplatz gegangen. Erst mit den Jahren haben mich erste Erfolge an Golfturnieren auf den Geschmack gebracht. Dass Kim und ich heute Golfprofis sind, kam aus unserem eigenen Antrieb.
Morgane Métraux: «Auf dem Platz versuche ich, gegen aussen möglichst ruhig und emotionslos zu wirken.»
Hast du eine Erklärung für den Mangel an Schweizer Golferinnen und Golfern unter den Spitzenspielern?
Es gibt keine einfache Erklärung, hier spielen verschiedene Faktoren mit. Aus meiner Sicht bewegt sich in der Schweizer Golfelite derzeit einiges zum Positiven. Es hat immer mehr junge Spielerinnen und Spieler, welche die Kapazität haben, Golf zum Beruf zu machen. Sie gehen dafür – wie ich das auch gemacht habe – an einer US-Universität in ein dortiges Golfteam, wo die Aktivitäten viel mehr auf Golf fokussiert sind. Wenn junge Golfende für ein Studium in der Schweiz bleiben, wird das Golfspiel nur am Rande gefördert, und das reicht dann leider nicht aus.
Welchen Rat kannst du jungen Schweizern geben, die wie du eine professionelle Golfkarriere anstreben?
Ganz wichtig ist aus meiner Sicht die Grundhaltung, dass man sich vor allem im Juniorenalter nicht zu verbissen auf Erfolge fokussiert: Golf ist und bleibt ein Spiel, das Freude bereiten soll! Und natürlich ist es so, dass man für Erfolge viel und richtig trainieren muss.
Seit dieser Saison bist du auch auf der LPGA Tour vertreten. Wie läuft dein Rookie-Jahr bis jetzt?
Es läuft gut, auch wenn ich mich an einige Dinge erst gewöhnen musste. Auf der LPGA werden Turniere jeweils über vier Runden gespielt, und ich war mir immer nur Drei-Runden-Turniere gewohnt. Daraus resultieren ganz andere Anforderungen in Sachen Erholung und Ernährung, mit einem zusätzlichen und anspruchsvollen Turniertag. Auch ist das Niveau der Konkurrentinnen selbstverständlich höher als zuvor. Ich muss viel besser spielen, um den Cut zu schaffen. Und dann hat es an der LPGA von allem etwas mehr – mehr Zuschauer, mehr Medien, mehr Preisgeld . . . All dies musste ich erst adaptieren, was mir aber bis heute gut gelungen ist.
Du verbringst den grössten Teil deiner Zeit in den USA. Wie ist dein Verhältnis zum Heimatland Schweiz – bist du bald mehr Amerikanerin als Schweizerin?
Nein, niemals, ich bin ganz klar Schweizerin! Ich bin wegen des Golfs in den USA zu Hause, hier ist alles viel einfacher mit den Trainingsmöglichkeiten und Turnieren. Was die Lebenskultur betrifft, bin ich durch und durch Schweizerin und werde das auch bleiben. Zudem liebe ich Schweizer Qualität! Auch darum bin ich sehr glücklich, mit der Uhrenmarke Omega einen persönlichen Sponsor zu haben, der diese Qualität perfekt mit moderner Eleganz und Hightech kombiniert.
Wie gehst du mit dem Druck um und wie erholst du dich zwischen den Turnieren?
Die Erholung ist ein sehr wichtiger Faktor in meinem Beruf. In einer Turnierwoche spielen wir sehr viel Golf, da spielt die körperliche und auch die geistige Erholung zwischen den Golfrunden eine sehr wichtige Rolle. Die Unterstützung durch Physiotherapie ist genauso wichtig wie das Aufladen der eigenen Energiereserven durch Ruhe und gute Ernährung. Auch wenn ich nicht immer gleich grosse Lust darauf habe, versuche ich täglich, meine eigenen Regeln zu befolgen, so zum Beispiel tägliches Stretching und seriöses Aufwärmen vor der Runde. Mit dem Druck geht jeder von uns anders um – daran gewöhnt man sich aber.
Was sind deine Ziele für den Rest der Saison? Und was möchtest du langfristig erreichen?
Mein grösstes Ziel ist es, die Spielberechtigung für die LPGA für nächstes Jahr zu sichern und in den Top 80 der Welt zu verbleiben. Und nach dem Turniergewinn auf der LET wünsche ich mir natürlich noch mehr solche Erfolge, vielleicht auch noch in dieser Saison, das wäre genial. Die vergangenen Wochen waren gut – und diesen Flow möchte ich wenn möglich beibehalten; es folgen einige Major-Turniere, die ich selbstverständlich bestreiten möchte. Langfristig habe ich den Gewinn von grossen Turnieren und die Teilnahme am Solheim-Cup für das Team Europa auf meinem Wunschzettel.
Familienbande: Olivier und Valérie Métraux mit ihren beiden Töchtern Kim und Morgane.