Der Ruf als Bösewicht kümmert LIV-CEO Greg Norman wenig. Er betont lieber die immensen Chancen, die er dem Sport und seinen Spielern eröffnet – auch solchen, die der PGA Tour weiterhin treu bleiben.
INTERVIEW: TODAY’S GOLFER | FOTOS: GETTY IMAGES
Greg Norman, beginnen wir mit einem Rückblick auf dein verrücktes Debüt-Jahr. Wie resümierst du den Erfolg von LIV und deinen Einfluss auf die Golfwelt in der ersten Saison?
Ich würde das Jahr nicht verrückt nennen. Ich würde sagen, es war fantastisch. Auf einer Skala von eins bis zehn würde ich ihm eine 9,5 geben. Der Impact, den wir 2022 in einem Zeitraum von acht Monaten hatten, war nichts weniger als phänomenal. Wir haben bewiesen, dass die Golfwelt auf so etwas wie uns gewartet hatte und LIV innerhalb des bestehenden Systems funktionieren kann. Ich bin sehr, sehr stolz auf das, was wir erreicht haben.
Natürlich gab es auch negative Stimmen. Wenn man das Territorium von Monopolisten bedroht, zeigen sie ihr hässliches Gesicht. Aber aus meiner Sicht bin ich den richtigen Weg gegangen. Und ich werde ihn auch weiterhin gehen, weil ich an unser Geschäftsmodell glaube. Ich glaube an unsere Leute, und ich glaube an die unabhängigen Rechte der Spieler. Ausserdem haben wir eine dramatische Veränderung beim Publikum gesehen. Hier eine interessante Statistik, ein echter Augenöffner: 71 Prozent aller LIV-Event-Besucher waren davor noch nie bei einem Golfturnier. Und soviel ich weiss, waren 55 Prozent unter 44 Jahre alt. Damit haben wir unsere Mission voll erfüllt: ein breiteres Publikum für das Spiel zu begeistern und die jüngeren Generationen zu erreichen.
Negative Stimmen gab es vor allem hinsichtlich deiner Person. Was sagst du zur Forderung von Tiger Woods und Rory McIlroy, dass du zurücktreten sollst?
Egal, wohin ich auf der Welt gegangen bin – niemand, nicht eine Person hat mir jemals ins Gesicht gesagt, dass das, was ich tue, dumm oder falsch ist. Ich schenke McIlroy und Woods daher keine Beachtung. Sie haben ihre eigene Agenda, aus welchen Gründen auch immer. Aber das hat keine Auswirkungen auf mich. Ich werde für eine lange, lange Zeit bei LIV bleiben. Ich geniesse die volle Unterstützung der Investoren. Und ich kann dir sagen, dass unsere Ambitionen für die Zukunft gross sind – grösser, als sie es im Jahr 2022 waren.
Stört es dich denn nicht, als Bösewicht abgetan zu werden? Warum denkst du, dass überhaupt so viele Menschen gegen dich sind?
Diese Frage müsstest du ihnen direkt stellen. Mir ist es egal. Als ich in diese Position kam, war mir bewusst, dass ich ein dickes Fell brauchen würde. Meine Erfahrung hat mich gelehrt, nach vorne zu blicken. Es kratzt mich nicht, was andere sagen.
Tiger möchte, dass die beiden Touren, LIV und PGA, miteinander reden. Wird das unter deiner Führung möglich sein?
Natürlich kann das unter meiner Führung passieren. Alles, was ich weiss, ist, dass wir mit LIV weitermachen und uns unentwegt fortbewegen werden.
Wenn es jedoch zum Wohl des Golfsports wäre – würdest du in Erwägung ziehen, zur Seite zu treten?
Ich gehe nirgendwohin. Ich bin stolz auf die Position, in der ich mich befinde, und vielleicht, ist es ja gerade meine Führung, die den anderen Angst bereitet. Wäre ja durchaus möglich.
Was hältst du wiederum von Jon Rahms Aussage, dass LIV für einige grosse Veränderungen auf der PGA Tour verantwortlich ist?
Alles, was sich bei der PGA Tour geändert hat, geschah als Reaktion auf LIV. Das ist ein Fakt. Jon Rahm hat zu hundert Prozent recht. Gott segne ihn für seine Ehrlichkeit. Er ist einer, der auf beiden Seiten Freundschaften hat. Er möchte jedem verständlich machen, dass Wettbewerb etwas Wunderbares ist.
Am Ende des Tages sollten die Spieler der PGA Tour dankbar sein für alles, was LIV getan hat. Denn erst durch uns wurde die Portokasse geöffnet und in die Reserven der PGA Tour eingetaucht. Mir tun die PGA-Tour-Spieler vor fünf Jahren und davor leid. Wo war dieses Geld damals? Es steckte in den Kassen fest, obwohl es für die Spieler hätte verwendet werden müssen. Dabei war es doch immer schon ihre Tour, ihr Geld.
Wie siehst du die Zusammenarbeit der beiden Touren, wenn überhaupt, in der Zukunft?
Die Zeit wird es zeigen. Wir tun, was wir eben tun. Wir haben dieses Jahr viele unglaubliche Geschichten zu erzählen. Und wir haben unglaublich viel Enthusiasmus vonseiten unserer Hauptspieler. Es dreht sich alles um das Team und um das Franchisemodell – ein jungfräulicher Bereich, den noch niemand im Golfsport genutzt hat, obwohl sich das Geschäftsmodell in Mannschaftssportarten wie Fussball, American Football oder Cricket als so lukrativ erwiesen hat. Die Spieler begrüssen dies sehr. Und ich bin so froh über die Gelegenheit, ihnen die Chance ihres Lebens verschaffen zu können.
Die Spieler pflegen zu sagen, dass sie keine Politiker sind. Aber wenn ihre Karriere von einem umstrittenen Regime finanziert wird – einem Regime, dem sie sich freiwillig angeschlossen haben –, stehen sie dann nicht in der Pflicht, zu verstehen, woher das Geld kommt und Fragen dazu zu beantworten?
Bist du schon mal mit einem Flugzeug von Boeing geflogen oder mit einem Uber gefahren? Siehst du, da geht es schon los. Aus sportlicher Sicht interessiert mich nur, welchen Mehrwert wir dem Sport bringen. Was das anbelangt, sind wir eine Macht des Guten.
Die Mehrheit der 9/11-Hijacker stammte aus Saudi-Arabien. Was sagst du den Überlebenden des 11. Septembers und ihren Familien, die LIV als «Todesgolf» verurteilen?
Schau, jeder hat seine eigene Meinung. Ich bin zum Wohle des Golfspiels hier. Ich werde mich einfach auf den Job fokussieren, für den ich engagiert wurde. Letztendlich werden die Fakten für sich sprechen. Also brauche ich mich nicht dazu zu äussern. Das Thema wurde in den letzten Monaten zu Tode diskutiert, aber es hat keinen Einfluss auf das, was wir machen.
Du sprachst vorhin von grossen Ambitionen. Betrifft das auch den Damengolfsport?
Steht als Nächstes eine LIV Golf Women’s League auf der Agenda?
Natürlich steht das zur Debatte. Wir haben eine unglaubliche Businessplattform geschaffen, die sich in viele verschiedene Richtungen ausweiten lässt.
Unsere Plattform ist so anpassungsfähig, dass wir über unsere bestehende Form hinauswachsen können.
2023 gibt es neue Austragungsorte, darunter zwei langjährige Austragungsorte der PGA Tour und der DP World Tour. Fühlt es sich wie ein Coup an, Namen wie Mayakoba und Valderrama im Kalender zu haben?
Ich sehe das nicht als Coup, sondern als Anerkennung für das, was wir zu bieten haben. Die Leute begrüssen die Chance, ihre Plattform mit einem weiteren Wettbewerb bereichern zu können. Erst gestern wurde ich von drei verschiedenen Ländern kontaktiert. Die PGA Tour ist nun mal nicht das A und O. Sie ist nicht die Besitzerin des Golfsports. Golf ist ein Raum, in dem man mit dem richtigen Businessmodell Fuss fassen kann. Wir haben das erkannt und darin investiert. Wir werden unseren Return on Investment bekommen, weil wir in dem Franchisemodell eine grosse Chance sehen.
Wie funktioniert das neue Auf- und Abstiegssystem bei LIV?
Es wird immer Wege für Spieler geben, reinzukommen. Und es gibt einen Abstieg. Wir haben Kriterien dafür entwickelt, dass es ein offenes Wegesystem gibt. Ab der kommenden Saison werden also Spieler aufgrund ihrer Leistung aussteigen und neue dazukommen.
Ich möchte dir diesbezüglich noch etwas erzählen. Vor ein paar Wochen wurde ich darum gebeten, auf dem Golfplatz eines Freundes vorbeizuschauen, der zufällig ein paar Universitäts-Golfmannschaften zu Gast hatte, männliche wie weibliche. Er bat mich, ein spontanes Q&A zu machen, was ich dann auch tat. Ich stand mit rund 15 bis 24 Kids auf der Driving Range und schätzungsweise ein Drittel von ihnen sagte: «Mein Ziel ist es, in der LIV League zu spielen.» Die verfolgen das, was wir tun, sehen die James Piots da draussen und fühlen sich inspiriert. Und da rede ich nicht nur von Jungs, sondern auch von Mädchen. Das sagt so viel darüber aus, welchen Mehrwert wir bieten und was wir in den Köpfen jüngerer Generationen bewegt haben.
Wo siehst du LIV Ende 2023?
Ich denke, wir werden ein noch erfolgreicheres Jahr hinter uns haben als nach 2022. Ich denke, das Publikum und unsere Akzeptanz werden gewachsen sein. Unsere Plattform ist extrem breit und flexibel, sodass LIVEvents künftig die hochkarätigsten Schauplätze des Golfsports darstellen werden. Also, um deine Frage zu beantworten: Ich erwarte, dass wir in einer noch viel besseren Position sein werden, weil wir sehr aktiv sind, wir laufen auf Hochtouren und sind nun keine Beta- Saison mehr.