Albane Valenzuela spielt in der LPGA seit 2020 auf konstant hohem Niveau, hat die Schweiz schon zweimal an Olympischen Spielen vertreten und wünscht sich für die Saison 2024 zwei Dinge: eine dritte Olympiateilnahme und einen Sieg auf der höchsten Ladies Tour.
Albane Valenzuela ist eine Kosmopolitin und eine Profisportlerin durch und durch. Über Wochen verschiebt sich unser Interviewtermin immer wieder. Nach ihrem zweiten Rang am Honda-LPGA-Turnier in Thailand im Februar – ihrem grössten Erfolg bisher – will sie das Momentum für weitere gute Resultate nutzen und setzt entsprechend Prioritäten. Eine Ohrenentzündung bremst sie im Frühjahr, hält sie trotz Antibiotikabehandlung aber nicht von weiteren Turnierteilnahmen ab. Ende Mai findet sie an ihrem Wohnsitz auf den Bahamas endlich ein paar Tage Zeit, zu entspannen und «MagazinGolf» für ein Interview telefonisch Red und Antwort zu stehen. Ein offenes Gespräch, in dem Albane Valenzuela in bestem Amerikanisch-Englisch Einblicke in ihr spannendes Leben als Profigolferin gibt.
Albane Valenzuela, was ist das Schweizerischste an dir?
Ich bin als Person sehr schweizerisch, bin am Genfersee aufgewachsen und liebe dieses Land, weil die Natur so schön ist und einfach alles funktioniert. Eine schweizerische Tugend ist mir wichtig: Ich bin sehr pünktlich und schätze Pünktlichkeit auch an anderen. Zudem denke ich sehr schweizerisch. Das ist definitiv eine Eigenschaft, die ich beibehalten möchte, auch wenn ich hauptsächlich in den USA lebe. Deshalb vertrete ich die Schweiz auch mit Stolz an internationalen Wettkämpfen.
Was magst du an der Schweiz mehr und was weniger?
Schweizerdeutsch ist das Einzige, was ich an der Schweiz nicht so mag. Ich verstehe es zwar etwas, aber in der Regel spricht man in der Golfwelt ja Englisch. Die Vielsprachigkeit der Schweiz finde ich aber toll, auch wenn es ziemlich viele Landessprachen sind für die Anzahl Einwohner.
Du durftest für die Schweiz bereits 2016 in Rio und 2020 in Tokio an den Olympischen Sommerspielen auftreten. Welche Gefühle verbindest du mit diesen Auftritten für die Schweiz?
Das sind bei Weitem die besten Erinnerungen, die ich als Sportlerin habe. Das Erlebnis einer Olympiateilnahme ist mit nichts anderem auf dieser Welt zu vergleichen. Wenn du als Schweizer Athletin antreten darfst, bei der Eröffnungsfeier hinter der Schweizer Fahne ins Stadion einläufst und dein Land repräsentieren kannst und dieses hinter dir weisst, dann ist das etwas ganz Besonderes. Ich glaube nicht, dass es etwas Vergleichbares gibt. Selbst meine über zwanzig Teilnahmen an Major- Turnieren auf der LPGA kommen nicht daran heran.
Die heute 26-jährige Albane Valenzuela vertrat die Schweiz bereits 2016 und 2020 an der Sommer-Olympiade im Golf. Für Paris 2024 steht ihre Qualifikation derzeit noch aus.
Wie stehen deine Chancen für eine Teilnahme am Olympia-Golfturnier in Paris?
Es stehen bis zum Ende der Qualifikationsphase noch vier Turniere aus (Anm.d.Red.: Aussage vom 25. Mai). Für die Schweiz qualifizieren können sich zwei Spielerinnen – und ich hoffe sehr, dass ich eine der beiden sein werde, indem ich weiter gut spiele und mich damit für Olympia empfehle.
Du lebst und arbeitest zur Hauptsache in Amerika, spielst in der LPGA und hast an der Stanford University studiert und in deren Golfteam gespielt. Welchen Stellenwert hat der Golfsport in den USA – im Vergleich zur Schweiz?
Die Sportkultur in den USA ist nicht mit der in der Schweiz vergleichbar. Sport hat hier einen viel höheren Stellenwert. Jede Hochschule hat ihre eigenen Sportteams in jeder nur erdenklichen Sportart. Als Mitglied eines University-Sportteams bekommt man die besten Trainer und eine umfassende Unterstützung zugeteilt. Aber: Mit meiner Schweizer Matura fühlte ich mich schulisch sehr gut vorbereitet, als ich in Stanford mein Studium begann. Gefühlt war jede Matura-Prüfung schwieriger als die Prüfungen in meinem Studium.
Was macht für dich persönlich die Faszination von Golf aus?
Golf ist für mich der beste Sport. Er bringt viele Herausforderungen mit sich und man kann ihn beinahe überall auf der Welt ausüben. Ich hoffe, ich darf mein ganzes Leben lang Golf spielen. Golf verlangt ständige Perfektion, die man aber nie erreicht. Man rackert sich ständig damit ab. An einem Tag hat man das Gefühl, jetzt beherrscht man alles, nur um am nächsten Tag zu merken, dass dem nicht so ist! Golf erfordert von jedem viel Anpassungsfähigkeit und Frusttoleranz. Golf ist zudem überaus vielseitig – vom kurzen über das lange Spiel, bei verschiedenen Gras- und Wetterbedingungen –, ein Outdoor-Sport durch und durch. Mein Vater sagt immer, es gebe keine schlechten Golfplätze, im Gegensatz zu den Spielerinnen und Spielern.
Wenn du von deiner Familie sprichst – wer spielt am besten Golf: du, dein Vater, deine Mutter oder dein Bruder?
Ich glaube, mein Vater hat das beste Kurzspiel von uns allen, mein Bruder schlägt die Bälle am weitesten und mein Eisenspiel ist das beste… wenn wir als Familie an einem Teamevent als Vierer-Flight antreten würden, wären wir vermutlich ziemlich gut.
Welches sind momentan deine grösste Stärken und an welchen Schwächen arbeitest du?
Mein Eisenspiel war schon immer ziemlich stabil und ist es statistisch gesehen auch auf der LPGA Tour. Weiter halte ich mich für eine ziemlich gute Chipperin. Letztes Jahr hatte ich mit meinem Driver kein gutes Jahr, aber diese Saison treffe ich ihn viel besser und fühle mich grossartig damit. Mit dem Putter kann ich sicherlich noch etwas besser werden, daran arbeite ich und bin auf dem richtigen Weg.
Hast du in oder an deinem Bag besondere Glücksbringer?
Tut mir leid, mit dieser Antwort enttäuschen zu müssen – aber ich bin wohl die Spielerin mit dem geringsten Aberglauben. Es gibt in meinem Bag keinen einzigen Glücksbringer. Ich spiele nicht einmal immer mit demselben Marker, und ich wechsle auch die Schuhe und meine Outfits, wie es mir passt.
Gibt es von deiner Seite Tipps an Amateur-Golfer:innen in Sachen Training und Ernährung, welche du mit uns teilen kannst?
Mein bester Tipp ist, regelmässig zu trainieren und mit Routine an die Sache zu gehen. Eine gesunde und ausgewogene Ernährung hilft mir persönlich, in Form zu bleiben. Im Kraftbereich arbeite ich am häufigsten an meiner Rumpfund Tiefenmuskulatur sowie an den Gesässmuskeln und hoffe, damit Verletzungen vorzubeugen.
Gibt es auf der LPGA den gleiche Trend zu vielen Muskeln, wie er auf der PGA Tour bei den Männern zu beobachten ist?
Es ist so, dass die Frauen auch immer stärker werden, aber ich glaube nicht, dass das nur mit reiner Muskelkraft zusammenhängt. Viele meiner Kolleginnen haben einen unheimlich guten Schwung und trainieren wirklich viel dafür. Die LPGA Tour wird immer fitter, in allen Bereichen. Nelly Korda ist das beste Beispiel dafür. Sie ist derzeit die beste Golferin der Welt, spielt einfach spektakulär und ist eine echte Athletin – wie wir alle auf der LPGA.
Du bist seit 2020 auf der LPGA Tour spielberechtigt und hast dich seither in jeder Saison gesteigert – auf was führst du diese Leistungssteigerung zurück?
Reife und Erfahrung tragen viel zu meiner Konstanz bei. Ich fühle mich mittlerweile sehr wohl in meinem Spiel und lasse mich von der Saisonplanung und dem grossen Turnierkalender nicht mehr abschrecken. Und ich werde über die Jahre immer besser, ich spiele weiter und konstanter – und ich bin in dieser Saison glücklicherweise von Verletzungen verschont geblieben, was das Allerwichtigste ist.
Welches sind die grössten Herausforderungen auf der LPGA für dich?
Ich spiele bereits auf der grössten Tour im Frauengolf mit den besten Golferinnen der Welt und habe hier schon gute Turniere gespielt. Was mir noch fehlt, das ist ein Turniersieg. Ich werde nicht zufrieden sein, bis ich diesen Sieg geholt habe. Ich weiss, dass ich dazu geduldig sein muss. Ich gebe immer hundert Prozent – und wenn es irgendwann zum Sieg reicht, dann ist er hoffentlich verdient.
Mit welchen anderen Spielerinnen bist du befreundet und wie lebt ihr die Freundschaft?
Ich habe viele gute Freundinnen auf der Tour, vor allem amerikanische Spielerinnen. Jede von uns versteht, wie hart dieser Individualsport sein kann. Entsprechend unterstützen wir uns gegenseitig, gehen ab und zu gemeinsam zum Nachtessen und helfen uns, wo wir können.
Gibt es einen Golfplatz, einen Turnierort, den du besonders magst – und warum? Der Evian Golf Club am Genfersee ist für mich etwas ganz Besonderes. Dort lernten sich meine Eltern kennen und der Platz war nahe bei unserem damaligen Wohnort. Als Amateurin habe ich viele Male auf Evian gespielt und nur beste Erinnerungen daran.
Du hast in der Saison 2023 16 von 21 Cuts geschafft und beinahe eine halbe Million Dollar eingenommen. 2024 sieht auch bereits vielversprechend aus, mit deinem 2. Rang in Thailand am Honda-LPGA-Turnier. Wann folgt dein erster Turniersieg?
Die Golfgötter wissen darauf vielleicht eine Antwort. Wenn die Zeit dazu reif ist, dann gewinne ich. Alles, was ich dazu beitragen kann, ist, mein Bestes zu geben.
Welche Wünsche und Vorstellungen hast du für die Saison 2024?
Die Teilnahme an den Olympischen Sommerspielen in Paris ist mein oberstes Ziel in dieser Saison. Mein Traum ist natürlich, bald ein Turnier auf der LPGA gewinnen zu können. Viel wichtiger ist mir aber, gesund zu bleiben und die Tour einfach weiter geniessen zu dürfen. So einfach das klingen mag – aber für mich ist dieser Teil meiner Karriere als Sportlerin sicherlich der wichtigste.