Hungrig nach einer Medaille

Der nordirische Golf-Superstar Rory McIlroy spricht im Exklusiv-Interview über seine Ambitionen an der Olympiade 2024 und verrät, welche Disziplin ihn nebst Golf reizen würde.

Rory McIlroy, welche Erinnerungen hast du an deine Teilnahme an den Olympischen Spielen 2020/2021 in Tokio?
Ich erinnere mich noch gut daran, wie hart ich um eine Bronzemedaille kämpfte. Es gab ein ziemlich ungewöhnliches Sieben-Wege-Playoff um die Bronzemedaille – einen Vierball zuerst für den Abschlag, gefolgt von einem Dreiball. Nachdem ich die Goldmedaille verpasst hatte, konnte ich selbst kaum glauben, wie sehr ich mir Bronze wünschte. Ich kann mit Sicherheit sagen, dass ich mich noch nie in meinem Leben so extrem für einen dritten Platz eingesetzt habe. CT Pan hat grossartiges Golf ge- spielt und seine Bronzemedaille zweifelsohne verdient – aber das olympische Erlebnis hat mich definitiv hungrig nach einer Medaillenchance in Paris gemacht.

Du warst verschiedenen Medienberichten zufolge nicht immer von den Olympischen Spielen überzeugt. Was hat dich dazu bewogen, deine Meinung zu ändern und wie schätzt du die Bedeutung der Olympischen Spiele heute für den Golfsport ein, etwa auch im Vergleich zum Ryder Cup?
Es stimmt, dass ich in der Vergangenheit einige Vorbehalte gegen das olympische Golfspielen hatte. Meine Sichtweise war zugegebenermassen etwas engstirnig. Früher dachte ich, dass Golf aufgrund seiner Majors und globalen Reichweite keine olympische Präsenz braucht, aber heute bin ich vom olympischen Golf wirklich begeistert. Nachdem ich die Leidenschaft und das emotionale Engagement erlebt habe, fange ich an zu begreifen, was es bedeutet, Olympionike zu sein. Das Ryder-Cup-Erlebnis ist vielleicht der beste Vergleich zum olympischen Golf, da es ebenfalls einen Team- und einen Einzelwettkampf beinhaltet. Man spielt gleichzeitig als Einzelkämpfer, als Teil einer Mannschaft und als Vertreter seines Landes, das ist ein fantastisches Gefühl. Und wenn man gegen ein wirklich internationales Feld von Golfspielern antritt, die alle um eine Medaille für ihr Land kämpfen, wird es zu einem Wettbewerb, der es meiner Meinung nach mit einigen der wichtigsten Events im Golfsport aufnehmen kann.

Als derzeit erfolgreichster Schweizer Golfer fühlt sich Joel Girrbach vom GC Lipperswil auf der DP World Tour sichtlich wohl.

Die Olympiade ist ein Riesenereignis für Tausende von Athleten aus der ganzen Welt. Wie hast du die Spiele abseits des Golfplatzes erlebt? Gibt es etwas, das dich überrascht hat – etwas, das du dir ganz anders vorgestellt hattest?
Ich begeistere mich für so viele unterschiedliche Sportarten, dass ich es sehr schade fand, nicht mehr Zeit für das Verfolgen anderer fantastischer Wettbewerbe zu haben. Ich kam damals direkt aus einem sehr hektischen Turnieralltag und verbrachte einen Grossteil meiner Zeit mit der Vorbereitung auf die Veranstaltung in der Umgebung des Golfkomplexes. Doch in unserem eigenen Golf-Ökosystem herrschte eine Atmosphäre der Aufregung und Vorfreude, wie ich sie nie zuvor gespürt hatte – und die es wahr- scheinlich nur bei den Olympischen Spielen gibt. Es war eigentlich ein recht seltsames Gefühl, all die Golfer, die ich fast alle gut kannte, im olympischen Umfeld anzutreffen. Sie repräsentierten ihre jeweiligen Nationen und entsprachen nicht den Einzelkämpfern, denen ich in der Umkleidekabine eines normalen PGA-Events begegne. Das hat mir erst richtig vor Augen geführt, wie einzigartig das olympische Erlebnis ist.

Wie bereitest du dich geistig und körperlich auf Paris 2024 vor? Unterscheidet sich diese Vorbereitung von der Vorbereitung auf andere Turniere?
Ich denke, dass die lange Zeitspanne mit Sommerevents auf der PGA und DP World Tour, einschliesslich der Majors, den grössten Teil meiner körperlichen Vorbereitung auf Paris 2024 ausmachen wird. Es ist eher unwahrscheinlich, dass ich um die Majors herum wesentliche Änderungen an meinem Spiel vornehmen werde. Daher hoffe ich, dass ich mit meinem Spielan einem guten Ort sein werde, wenn ich bei den Olympischen Spielen antrete. Ich werde auch mein Ernährungs- und Fitness-Regime genau so beibehalten, wie ich es in einer typischen Saison tun würde. Was die mentale Vorbereitung betrifft, hoffe ich, dass ich durch die regelmässigen Wettkämpfe während der gesamten Saison 2024 geistig konzentriert und fit bleibe. Gegen die Olympischen Spiele hin werde ich mit dem Team und meinem Spielpartner zusammenarbeiten, versuchen, ein Gefühl für den Platz zu bekommen und von dort aus eine Strategie mitentwickeln, die uns hoffentlich auf Medaillenkurs bringt.

Nach dem Gewinn des Ryder Cups 2018 im Le Golf National in Guyancourt hast du wahrscheinlich noch gute Erinnerungen an den Platz, auf dem 2024 olympisches Golf gespielt wird. Was ist daran einzigartig und wo liegen die Herausforderungen?
Ja, der Ryder Cup 2018 im Le Golf National war ein unglaubliches Erlebnis und ein entscheidender Sieg für Europa über das US-Team. Ich spielte in diesem Jahr nicht mein bestes Golf, aber Teil der Siegermannschaft zu sein und als Team an einem Strang zu ziehen, war etwas ganz Besonderes. Der Platz selbst hat viel Geschichte und zählt Weltgrössen wie Seve Ballesteros, Nick Faldo und Bernhard Langer zu seinen früheren Champions. Ich denke, es steht ausser Zweifel, dass Le Golf National weithin zu den schönsten Parklandkurse Europas zählt. Was für mich jedoch besonders hervorsticht, sind die letzten vier Löcher des Platzes. Da Wasser bei jedem Schlag eine echte Gefahr darstellt, sind diese berühmten Schlaglöcher sowohl optisch atemberaubend als auch potenziell tödlich. Ein glattes Par für diese Löcher wäre schon ein grossartiges Ergebnis – aber das erfordert extreme Konzentration und eine hervorragende Schlagtechnik.

Omega ist der offizielle Zeitnehmer der Olympischen Spiele in Paris. Was bedeutet das für dich als Botschafter der Uhrenmarke?
Ich bin sehr stolz auf meine Rolle als Omega-Botschafter. Diese mittlerweile über ein Jahrzehnt alte Beziehung hat immer hervorragend zu mir gepasst und während meiner gesamten Karriere als Profigolfer eine grosse Rolle gespielt. Als Teil der Omega- Familie ist es ein besonderes Gefühl, mit Omega als offiziellem Zeitnehmer an den Olympischen Spielen teilzunehmen. Ich werde einer von vielen Olympioniken sein, die auf die Gnade unglaublich feiner Gewinnmargen oder Millisekunden angewiesen sind, die einen Medaillengewinn von einer bitteren Enttäuschung trennen, und Omega wird da sein, um all die Höhen und Tiefen aufzuzeichnen, die die Olympischen Spiele zu einem so erstaunlichen Spektakel machen.

Wenn du in einer anderen Disziplin als Golf an den Olympischen Spielen teilnehmen könntest, welche wäre das und warum?
Ich bin ein grosser Fan vieler Sportarten – Boxen, Rugby, Fussball und so weiter –, aber wenn ich mich für eine andere Sportart entscheiden müsste, wäre es wahrscheinlich der olympische Triathlon: 1,5 Kilometer Schwimmen, 40 Kilometer Radfahren und 10 Kilometer Laufen. Vielleicht liegt der Reiz für mich darin, dass es ein multidisziplinärer Sport ist, bei dem der Wettkampf relativ kurz dauert – also das pure Gegenteil von Golf. Mir gefällt die Idee, dass der gesamte Körper ein grossartiges Training erhält, und mir gefällt die Intensität der erforderlichen Kraft, Fitness und Ausdauer. Um in drei sehr unterschiedlichen Disziplinen antreten zu können, muss man ausserdem über eine grosse mentale Stärke und Beharrlichkeit verfügen – Eigenschaften, die ich bei allen Spitzensportlern respektiere. Und vielleicht denke ich irgendwo tief in meinem Inneren, dass ich bei einem Triathlon ganz gute Leistungen erbringen könnte – mit dem entsprechenden Training, versteht sich!

Wirst du bei den Olympischen Spielen noch andere Sportarten verfolgen?
Ja, so viele wie ich kann. Ich hoffe auf eine kleine Auszeit, um die Atmosphäre im Olympischen Dorf zu erleben, und je nach meinem Zeitplan würde ich wirklich gerne zum Stade de France fahren, um ein paar Leichtathletikwettbewerbe live vor Ort zu erleben.

Wir wünschen dir nur das Beste für die Olympischen Spiele 2024! Vorausgesetzt, du gewinnst tatsächlich eine Medaille, wie wirst du sie feiern und wo wirst du sie zu Hause platzieren?
Vielen Dank für die freundliche Unterstützung! Es verspricht ein hart umkämpfter Wettbewerb zu werden. Ich freue mich sehr darauf und möchte so viel wie möglich von der Erfahrung aufsaugen. Sobald wir unsere Teamausrüstung haben und ein Gefühl für die Strecke bekommen, weiss ich, dass der Wettkampfgeist in vollem Gange sein wird. Und da wir in Frankreich sind, denke ich, dass ich eine Medaille mit einem kleinen Glas Champagner feiern würde. Der Gewinn einer Medaille jeglicher Art wäre ein so einzigartiges Erlebnis, dass ich sie stolz zu den Trophäen reihen würde, die mir am meisten am Herzen liegen.

INTERVIEW: NINA TREML | FOTOS: OMEGA, GETTY IMAGES

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