Sie haben Talent, Ehrgeiz und Nerven. Vor allem aber haben sie einander, wie Jessica und Nelly Korda betonen. Die meiste Kraft schöpfen die Golf-Superstar-Schwestern aus ihrer Familie.
«Golf ist für Tote», soll Petr Korda in jungen Jahren geschimpft haben. Der gebürtige Tscheche hatte sich voll und ganz dem Tennissport verschrieben, gewann als Highlight seiner Karriere 1998 bei den Australian Open einen Grand-Slam-Titel und kämpfen sich im Schatten von Landsmann und Mentor Ivan Lendl bis auf Weltranglistenplatz zwei vor. Ehefrau Regina Rajchrtová, ebenfalls Tennisprofi, brachte es immerhin zur Olympionikin. Und mittlerweile schickt sich auch Sohn Sebastian an, die Tenniswelt zu erobern: Der 21 Jahre junge Top-50-Spieler gilt als eines der vielversprechendsten Nachwuchstalente.
Doch irgendwo auf ihrem Weg müssen «Mrs. and Mrs. Korda», wie sie seit ihrer Emigration in die USA 2008 genannt werden dürften, ihre Meinung über das Spiel mit dem kleinen weissen Ball geändert haben. Wie sonst hätte aus ihren anderen beiden Kindern, der 1993 geborenen Jessica und der 1998 geborenen Nelly Superstars der LPGA Tour werden können? In Kürze: Jessica zählt seit über zehn Jahren zu der von Südkoreanerinnen dominierten Damengolfelite, spielte im Laufe der Jahre fast 6,7 Millionen Dollar Preisgeld ein und rangiert nach einer Zeit lang in den Top 10 aktuell in den Top 25 der Weltrangliste. Die jüngere Nelly, die bereits als Neunjährige bei ihrem allerersten Turnier in Tschechien triumphierte (und dabei kurioserweise eine Flasche Champagner gewann), ist nach neun Toursiegen, einem Major-Titel und einer Olympia-Goldmedaille an der Weltspitze ihres Sports angekommen. Kein anderes Geschwisterpaar sorgt in der internationalen Golfszene für derart viel Furore wie die unter US-Flagge spielenden Korda-Sisters.
Das Geheimnis ihres Erfolgs? Zunächst einmal gute Gene. Grossgewachsen zu sein, ist im heutigen Power-Golf kein Nachteil – insbesondere die 1,80 Meter grosse Jessica gilt als gefürchtete Longhitterin. Und gewiss bekamen die Korda-Kids von ihren Eltern auch eine gute Portion Wettkampfgeist in die Wiege gelegt. So erinnerte sich Nelly kürzlich in einem Interview mit CNN daran, wie unerbittlich sich die Familie früher beim Monopoly bekämpf hatte. Umso überraschender also, dass die Kordas ihren Nachwuchs zwar dazu animierten, sich in verschiedenen Sportarten auszutoben, nicht aber, eine Karriere daraus zu machen. Dass keine ihrer Töchter Interesse an ihrer Lieblingsdisziplin zeigte («Tennis war immer ein Sport, den ich gespielt, aber nie geliebt habe», so Jessica), sahen die Eltern jedenfalls gelassen. Eher zufällig nahm Papa Korda, der mittlerweile doch ein wenig Gefallen an dem «Sport für Tote» gefunden hatte, seine Mädchen einmal auf den Golfplatz mit – und weckte so das Verlangen in Jessica, im Alter von acht Jahren mit Golfunterricht zu beginnen. Daneben hantierte die dreijährige Nelly mit Plastikschlägern. «Meine Schwester war immer mein grosses Vorbild», erklärt die derzeitige Nummer zwei der Weltrangliste, wie sie zu dem Sport kam. «Ich wollte ihr alles nachmachen.»
Zu Beginn ihrer Golfkarrieren begleitete Petr Korda seine Töchter als «Daddy Caddy» zu den Wettkämpfen, achtete aber stets darauf, dass ihr Trainings- und Turnieraufwand neben Schule und Freizeit nicht überhand nahm. Eine Vorsichtsmassnahme, um zu verhindern, dass seine Kinder denselben Überehrgeiz entwickelten wie er damals? Wer in den späten 1990ern den Tennissport verfolgte, erinnert sich vielleicht noch, woran Kordas Karriere letztlich scheiterte: nicht an einer Verletzung oder mangelnder Leistung, sondern weil der Tscheche des Dopings überführt wurde. Jessica erklärt die elterliche Zurückhaltung wiederum so: «Unsere Eltern sind einfach verdammt cool.» Und dass sie nicht ständig an ihren Kindern klebten, gebe ihnen die Möglichkeit, zu wachsen und eigene Fehler zu machen.
Erstaunlicher noch als die Coolness ihrer Eltern ist jene, die Jessica und Nelly selbst an den Tag legen. Dass die jüngere Korda über das grössere Talent verfügt, wurde schon bald nach ihrem Wechsel ins Profilager deutlich. Als sich Nelly 2017 für das US Open qualifizierte, war sie 14-jährig – ein Jahr jünger als damals Jessica bei ihrem Debüt – und noch in ihrer Rookie-Saison liess sie ihre Schwester mit einem fünften Rang beim Pure Silk Bahamas LPGA Classic hinter sich. «Ich habe mir immer gewünscht, dass sie mich eines Tages besiegen würde», zeigte sich Jessica danach eher stolz denn gedemütigt. Von Missgunst oder Neid scheinbar keine Spur: «Wir spielen alle Proberunden zusammen und sehen uns nicht als Rivalinnen.» Vielmehr empfinde sie es als Bereicherung, die Erlebnisse auf Tour mit ihrer Schwester teilen zu können. Auch Nelly spricht von Jessica als «built-in best buddy», als Schwester, die gleichzeitig ihre beste Freundin ist. «Natürlich wollen wir uns gegenseitig schlagen, aber wir bauen uns auch immer auf», erklärt sie das geschwisterliche Verhältnis, hinter dem auch ihre Eltern stehen: «Sie erinnern uns immer daran, dass wir nicht gegeneinander, sondern gegen den Platz spielen.»
Medial aufbauschen liess sich die Konkurrenzsituation deshalb nie – obwohl, wie Jessica sagt, «viele Leute genau das wollen». Überhaupt scheinen die Korda-Schwestern das Drama zu scheuen und auch aus ihrer Erscheinung als langbeinige, hübsche Blondinen nicht übermässig Kapital schlagen zu wollen. Dann und wann präsentiert sich die inzwischen 23-jährige Nelly ihren 485 000 Instagram- Followern zwar im Bikini, zeichnet ansonsten aber das Bild einer durch und durch seriösen und zugleich nahbaren Profigolferin. Die 29-jährige Jessica zeigt in den sozialen Medien am liebsten ihren Hund Charly. Und hofft derzeit wahrscheinlich auf einen möglichst glimpflichen Ausgang des Verfahrens, das ihr langjähriger Partner und mittlerweile Ehemann, der Ex- Profigolfer Johnny DelPrete, derzeit wegen Anstiftung zur Prostitution am Hals hat.
Vor allem aber geben sich die Korda-Schwestern auf dem Platz keine Blösse. Insbesondere Nelly besticht mit einer spielerischen Konstanz, die auf eiserne Nerven schliessen lässt. In ihr drin sehe es zwar oft anders aus, gestand sie unlängst in einem Interview, doch versuche sie seit jeher, sich von der Hektik rundherum nicht anstecken zu lassen: «Mein grösstes Vorbild diesbezüglich ist Roger Federer, weil er stets ruhig und kontrolliert wirkt.» Aber nicht zuletzt auch ihr Vater, der seinen Kindern dazu geraten habe, sich auf die Gegenwart zu konzentrieren und nicht nur die Höhepunkte zu geniessen, sondern auch die Zeiten, in denen es nicht so gut läuft.
2021 erwies sich als Jahr, in denen sämtlichen Korda- Kindern das Geniessen nicht schwergefallen sein dürfte. Jessica läutete es im Januar mit einem Sieg beim Tournament of Champions ein – ihrem sechsten Titel, seit sie 2010 ins Profilager eingetreten war. Sebastian schaffte es bei den French Open und später auch in Wimbledon bis in die vierte Runde. Nelly triumphierte nach 15 sieglosen Monaten beim Gainbridge LPGA, doppelte im Juni mit einem Sieg in Belmont nach und sicherte sich in der Woche darauf bei der Women’s LPGA Championship nicht nur ihren ersten Major-Titel, sondern als erste Amerikanerin seit 2014 auch noch die Spitzenposition in der Weltrangliste. Nicht genug damit, ging es im August gemeinsam mit Jessica nach Tokio, wo sich die jüngere Korda-Schwester jenen Traum von Olympiagold verwirklichte, der ihrer Mutter bei ihrer Teilnahme in Seoul 1988 verwehrt geblieben war. Eine «surreale Zeit», wie Nelly rückblickend konstatierte.
Allerdings war es auch eine Zeit, die Nelly erstmals an ihre körperlichen Grenzen erinnerte. Im Herbst musste die Spitzenreiterin, die sich nach Olympia «hungrig nach mehr» gab, wegen überbelasteter Schulter pausieren und die Topposition in der Weltrangliste wieder an die Südkoreanerin Jin Young Ko abtreten. Wenig erfreulich begann dann auch die Turniersaison 2022, als Nelly Korda mit einem Blutgerinnsel im Arm ins Krankenhaus musste. Sie werde bald zurück sein, versprach sie in einem offiziellen Statement, bitte in der Zwischenzeit aber um die Achtung der Privatsphäre der ganzen Familie.
Dass ihre Geschwister weiterhin an Wettkämpfen teilnehmen, dürfte für Nelly Korda besonders schwierig sein –nicht wegen Neid, sondern weil es für sie gemäss eigener Aussage nichts Stressigeres gebe, als mit «Jess oder Sebi» als Zuschauerin mitzufiebern. «Das ist härter, als selber zu spielen, weil man dabei keinerlei Kontrolle über das Geschehen hat», erklärte sie in einem Interview. Dass sie überhaupt Teil einer derart erfolgreichen Sportlerfamilie ist, empfindet sie dagegen als normal. «Das wird mir immer erst bewusst, wenn mich jemand darauf hinweist. Dann denke ich: ‹Oh wow, ja, das ist wirklich cool.› »

Von der Generation Tennis zur Generation Golf: Während Petr Korda und seine Frau Regina Rajchrtová in jungen Jahren die Tenniswelt aufmischten, stiegen ihre Töchter Nelly und Jessica zum erfolgreichsten Geschwisterpaar der LPGA Tour auf.

