Was steckt hinter dem traditionsreichen Kontinental-
wettbewerb und warum der ganze Hype? Wir beantworten die wichtigsten Fragen zum Ryder Cup, der dieses Jahr zum 44. Mal ausgetragen wird.
TEXT: NINA TREML | FOTOS: GETTY IMAGES
WAS IST DER RYDER CUP?
Beim Ryder Cup treten die besten Golfprofis Europas und der USA in Teams zu 12 Spielern gegeneinander an. Der als bedeutendstes Mannschaftsturnier im Golf- sport geltende Event wird im Zwei-Jahres-Turnus abwechselnd in den Vereinigten Staaten und auf europäischem Boden ausgetragen. Die 44. Ausgabe des prestige- trächtigen Kontinentalwettstreits findet vom 29. September bis 1. Oktober 2023 im Marco Simone Golf and Country Club in Rom statt und damit erstmals in Italien.
WORUM WIRD GESPIELT?
Um Ruhm und Ehre, Preisgelder gibt es nicht. Aus hochbezahlten Einzelkämpfern werden so idealistische Teamplayer, und anstelle einer pompösen Trophäe gibt es einen filigranen Golfpokal. Trotzdem – oder gerade deswegen – ist die Rivalität enorm, das Publikum im Ausnahmezustand und die Atmosphäre unvergleichlich.
WO LIEGEN DIE URSPRÜNGE DES TURNIERS?
Der Ryder Cup geht auf den vermögenden britischen Samenhändler Samuel Ryder zurück, der mit 50 Jahren eine späte Liebe zum Golfsport entdeckte und im Jahr 1927, inspiriert von einem Match zwischen englischen und amerikanischen Golfern, einen Pokal stiftete, um «zu einer herzlichen, freundlichen und friedlichen Atmosphäre in der zivilisierten Welt» beizutragen. Der erste Ryder Cup wurde im amerikanischen Worchester im Bundesstaat Massachusetts ausgetragen, seitdem findet das Turnier alle zwei Jahre statt – allerdings mit Unterbrechungen während des Zweiten Weltkriegs und einer Verschiebung wegen der Terroranschläge am 11. September 2001 sowie wegen der Corona-Pandemie im Jahr 2020.
WER HAT WIE OFT GEWONNEN?
Zwischen 1927 und 1971 wurde der Ryder Cup ausschliesslich zwischen den USA und Grossbritannien ausgefochten. Die USA gewannen 15 der Duelle, die Briten lediglich drei und eines endete mit Remis. Aufgrund der amerikanischen Dominanz drohte dem Turnier der Bedeutungsverlust, weshalb das Golf-Mutterland ab 1973 die Iren als Verstärkung hatte – ohne Erfolg. Erst seitdem ganz Kontinentaleuropa gegen die Neue Welt antritt, sind die Kräfte ausgeglichen: Zwischen 1979 und 2021 gingen elf Siege an Europa und neun an die USA; einmal gab es ein Unentschieden.
WIE GESTALTET SICH DER TURNIERMODUS?
Der Ryder Cup wird über drei Tage hinweg im Matchplay- Modus, sprich Mann gegen Mann, ausgetragen. Insgesamt werden während des Turniers 28 Partien auf 18 Loch gespielt: jeweils vier Foursome-Partien und vier Fourball-Partien am Freitag sowie Samstag Vormittag und Nachmittag, abgeschlossen von zwölf Einzelmatches am Sonntag. Bei den Foursome-Partien wird derselbe Ball innerhalb eines Zweierteams abwechselnd gespielt; bei den Fourball-Partien schlagen alle ihre eigenen Bälle, allerdings wird innerhalb eines Teams immer nur der beste Score gewertet. Pro Sieg gibt es einen Punkt für das Team, bei Gleichstand bekommen beide Teams einen halben Punkt zugesprochen. Besitzen zum Turnierende beide Teams gleich viele Punkte, wird der Titelverteidiger zum Sieger erklärt. Eine Besonderheit der Punkteverteilung ist das sogenannte «Dormic», wenn ein Spieler oder ein Team mit der gleichen Anzahl Punkte in Führung liegt, wie noch Löcher zu spielen sind. Hier kann das im Rückstand liegende Team bloss noch einen Ausgleich erzielen, das Spiel aber nicht mehr gewinnen.
WER SIND DIE KAPITÄNE DER BEIDEN TEAMS?
Für jedes Team wird ein Kapitän berufen, der mit dem Captain’s Pick die Hälfte der Spieler aussucht, die Aufstellung bestimmt und die Strategie festlegt. Ihm stehen bis zu vier Vizekapitäne unterstützend zur Seite. Ursprünglich sollte Henrik Stenson das Team Europe 2023 anführen. Nach seinem Wechsel zu LIV wurde der Schwede aber von seinem Amt enthoben und trat den Posten an den ehemaligen Weltranglistenersten Luke Donald ab. Vier Mal hat der 45-jährige Engländer als Spieler am Ryder Cup teilgenommen, vier Mal ging Europa als Sieger vom Platz. Hinzu kommt seine Erfahrung als Vizekapitän in den Jahren 2018 und 2021. Der Mann, der zum 30. Kapitän der USA seit Gründung des Ryder Cup berufen wurde, ist Zach Johnson. Der 47-jährige Tour-Profi aus Iowa hatte 2006 sein Ryder-Cup-Debüt gegeben und spielte insgesamt fünfmal selbst mit. Auch er fungierte in den Jahren 2018 und 2021 als Vizekapitän. Unterstützt wird er unter anderem vom Vorjahreskapitän Steve Stricker.
WIE WERDEN DIE SPIELER AUSGEWÄHLT?
Die Qualifikation für das Team Europe begann bei der BMW PGA Championship im September 2022 und endet am 3. September 2023, drei Wochen vor Turnierbeginn. Sechs Spieler qualifizieren sich automatisch. Diese setzen sich aus den drei führenden Spielern der Weltrangliste und den drei führenden Spielern der europäischen Punkterangliste zusammen – wobei das Verhältnis zwischen den höchst- und den niedrigstplatzierten Events der DP World Tour in diesem Jahr von Faktor 6:1 auf 4:1 reduziert wurde, um European Tour Members höhere Chancen für eine Teilnahme einzuräumen. Der europäische Kapitän Luke Donald wird dann weitere sechs «Captain’s Picks» auswählen, um sein zwölfköpfiges Team zu komplettieren. Die Amerikaner vergeben bereits seit Anfang 2022 Punkte für das Ryder-Cup-Ranking. Sechs Spieler werden über eine Punkteliste ermittelt, weitere sechs vom Mannschaftskapitän bestimmt.
SIND LIV-SPIELER TEILNAHMEBERECHTIGT?
Wegen einer Lücke im System sind LIV-Spieler vom Team USA nicht ausgeschlossen – jedenfalls theoretisch. Statt von der PGA Tour wird das Team nämlich von der PGA of America geführt, die von der PGA-Tour-Sperre nicht betroffen ist und eine einjährige Nachfrist für die Abtrünnigen vorsieht. Team Europe wird wiederum von der DP World Tour geführt, von der die europäischen LIV-Golfer Sergio García, Lee Westwood, Paul Casey und Ian Poulter ausgetreten sind. Eine Ryder-Cup-Teilnahme ist für sie daher nicht möglich.
WELCHE STARS TRETEN 2023 SICHER AN?
Nummer eins im Team Europa ist Rory McIlroy, der 2023 bereits zum siebten Mal am Ryder Cup teilnimmt. Seit seinem Debüt 2010 war der Nordire bei jeder Ausgabe dabei und bestritt insgesamt 28 Matches, von denen er 12 gewann, 12 verlor und 4 mit einem Unentschieden abschloss. Die Teamerfolge in den Jahren 2010, 2012, 2014 und 2018 werden zu einem grossen Teil seiner Erfahrung und seinen Führungsqualitäten zugeschrieben. Ebenfalls eine Schlüsselrolle wird Jon Rahm einnehmen. Der spanische Star hatte 2018 bei seinem Ryder-Cup-Debüt in Paris für Aufsehen gesorgt, als er Tiger Woods im Einzel besiegte. Als erster amerikanischer Spieler wurde der Weltranglistenerste Scottie Scheffler nominiert. Auch er ist bereits Ryder-Cup-erprobt: 2021 war er Mitglied des triumphierenden US-Teams in Whistling Straits. Er gelangte damals über den Captain’s Pick ins Team und dankte es mit einem Sieg im Duell gegen Jon Rahm.
WIE STEHEN DIE CHANCEN FÜR DIE EUROPÄER?
Schwer zu sagen. In den letzten 20 Jahren verzeichnete Europa sieben Siege und nur drei Niederlagen. Allerdings ging der Pokal 2021 mit einem deutlichen 19 zu 9 an die USA, die damit nicht nur mit dem Selbstbewusstsein eines Titelverteidigers antreten, sondern auch im Vorteil liegen, sollte es zu einem Unentschieden kommen. Dass Europa ohne sein Star-Trio Sergio García, Lee Westwood und Ian Poulter auskommen muss, dürften die drei Topplayer Rory McIlroy, Jon Rahm und Viktor Hovland wettmachen. Darüber hinaus profitieren sie vom Heimvorteil und der Gunst des Publikums. Es dürfte spannend werden!