Wenn Nationalspieler Silvan Widmer nicht auf dem Fussballfeld steht, zieht es ihn in der Freizeit häufig auf den Golfplatz. Etwa beim Mainzer Golfclub, wo wir den besten Rechtsverteidiger der Schweiz auf einer Runde begleitet haben.
TEXT: RETO NEYERLIN | FOTOS: CHRISTOF RENÉ SCHMIDT
Er kommt gerade vom Training bei seinem Fussballclub, dem 1. FSV Mainz 05. Und obwohl Silvan Widmer bereits den ganzen Morgen Sport gemacht hat, steht ihm der Sinn nach noch mehr Bewegung. Er steigt in sein Elektroauto, einen VW ID.5 GTX, und fährt mit ihm kaum hörbar vom Parkplatz. Das Ziel: der Mainzer Golfclub.
«Golf ist eine perfekte Ergänzung zum Fussball», erklärt der 31-Jährige, während er vor dem schicken Club-Haus seine Tasche mit den Schlägern auf einen Golfwagen packt. Die Sportart fördere die Koordination und die Konzentration. «Es geht immer nur um den einen Moment, den einen Schlag. Und im Gegensatz zum Fussball ist man immer selbst schuld, wenn etwas in die Hose geht», lacht Silvan Widmer.
Seine Profikarriere hat der aktuell beste rechte Aussenverteidiger der Schweiz mit 18 Jahren beim FC Aarau begonnen. Zwei Jahre später folgte bereits der Wechsel ins Ausland zu Udinese Calcio, in fünf Saisons bestritt er 131 Spiele für die Norditaliener. Nach einem dreijährigen Gastspiel beim FC Basel zog es ihn 2021 in die Bundesliga, wo er seither für den 1. FSV Mainz aufläuft. Seit 2014 ist er zudem Mitglied der Schweizer Nationalmannschaft.
Beliebter Sport bei Fussballern
Die Golfausrüstung ist meistens mit dabei, wenn Silvan Widmer zu den Einsätzen der Nationalmannschaft einrückt. Sobald dort ein freier Nachmittag auf dem Programm steht und ein Golfplatz in der Nähe ist, geht es für eine Runde aufs perfekt gemähte Grün. Und das selten allein, denn auch in der Nati hat es diverse Spieler, die den Sport betreiben. Etwa Goalie Jonas Omlin, Christian Fassnacht oder Michel Aebischer. Der wohl beste Golfer der Nationalmannschaft sitzt jedoch auf der Trainerbank: Murat Yakin spielt seit über 30 Jahren und weist ein Handicap von 9,9 auf.
Davon ist Silvan Widmer mit seinem 44er-Handicap weit entfernt. «Mir fehlt schlicht die Zeit, um regelmässig Turniere zu bestreiten und so mein Handicap zu verbessern», sagt er, bevor er den Golfball mit dem Driver weit über hundert Meter Richtung Green abschlägt. Denn nebst dem Fussball steht für ihn stets die Familie an erster Stelle.
Seit zwölf Jahren ist der gebürtige Aargauer mit Céline (32) zusammen, seit 2017 sind sie verheiratet. Und inzwischen vervollständigen die beiden Töchter Alissa (6) und Zoé (3) das Familienglück. Die Freizeit besteht also normalerweise aus gemeinsamen Besuchen auf dem Spielplatz oder Ausflügen in die Natur. «Die Hauptsache ist, dass es den Kindern Spass macht», sagt der stolze Vater. «Dann sind wir Eltern ebenfalls entspannt.» Zudem unterstützt er seine Frau mit ihrem Start-up Aloé Jewelry, über das sie hochwertigen und handgemachten Echtschmuck verkauft, und schwingt zu Hause leidenschaftlich den Kochlöffel.
Die Kinder sind mit ein Grund, weshalb er nicht nur mit dem Golfwagen, sondern auch auf den Strassen häufig elektrisch fährt. «Es liegt in unserer Verantwortung, ihnen eine möglichst intakte Welt zu hinterlassen, in der sie sorgenfrei leben können», betont Silvan Widmer. Für eine umweltschonende individuelle Mobilität seien Elektroautos klar die erste Wahl. Darüber hinaus macht ihm das elektrische Fahren richtig Spass. «Mein VW ID.5 GTX beispielsweise fährt einerseits sehr sanft, ja schwebt schon fast, muss sich andererseits aber vor keinem anderen Auto verstecken, was die sportliche Leistung betrifft.»
Silvan Widmer ist ein Ästhet. Das zeigt sich im Kleidungsstil des Modeinteressierten – «ich gehe sehr gerne mit meiner Frau shoppen» –, aber auch bei seinem Auftritt auf dem Golfplatz. Elegant schwingt er den Schläger, die Technik weit ausgereifter, als es sein Handicap vermuten lässt. Als der Ball einmal kurz vor dem Green im Bunker landet, schlägt er ihn spielerisch leicht aus dem Sand heraus. Auch beim Putten braucht er kaum einmal mehr als einen Versuch, bis der Ball ins Loch kullert. Es ist offensichtlich: Bälle liegen dem Fussballprofi einfach, egal ob grosse oder kleine.
Kurz davor, Geschichte zu schreiben
Im Sommer hatte Silvan Widmer eher wenig Zeit für Golf und Familie, als er an der Europameisterschaft im Einsatz stand. Nach dem äusserst knappen Ausscheiden gegen England im Viertelfinale hat er immer noch im Hinterkopf, dass mehr drin gelegen wäre: «Wir waren kurz davor, Historisches zu erreichen.» Dennoch überwiegt der Stolz darüber, was er mit der Nati in Deutschland geschafft hat. Auch seine Mainzer Teamkollegen hätten gestaunt, welch attraktiven und erfolgreichen Fussball die Schweiz inzwischen spiele. Vor allem aber sei der Hunger bereits wie- der da, mit diesem Team an der nächsten Weltmeisterschaft erneut gross aufzutrumpfen.
Für den Spieler mit der Nummer drei könnte es die letzte Endrunde werden. Er ist inzwischen 31-jährig, sein Vertrag in Mainz läuft noch zwei Jahre. Was kommt danach? «Das ist noch weit weg, mein Fokus gilt aktuell ganz dem Verein und der Nationalmannschaft», betont er. Geplant sei aber, dass die Familie Widmer spätestens nach seiner Aktivkarriere wahrscheinlich wieder in die Schweiz zurückkehre. Und dann wird er auch genügend Zeit haben, um auf den Golfplätzen sein Handicap zu verbessern.
Porträt Silvan Widmer
Profifussballer
Geboren am 5. März 1993 in Aarau
Clubkarriere: Debütiert mit 18 Jahren beim FC Aarau und wechselt zwei Jahre später nach Italien zu Udinese Calcio. 2018 geht es zum FC Basel, mit dem er Schweizer Cupsieger wird. 2021 folgt der Wechsel zum 1. FSV Mainz 05, den er inzwischen als Captain aufs Feld führt.
Schweizer Nati: Erster Einsatz 2014 gegen San Marino. Steht für die Schweiz an der WM 2021 und 2024 sowie an der EM 2022 im Einsatz. Hat bisher 48 Spiele für die Nati bestritten und dabei vier Tore erzielt (Stand September 2024).
Familie: Seit 2017 mit seiner Jugendliebe Céline (32) verheiratet. Sie haben zwei Kinder, Alissa und Zoé, und wohnen in der Nähe von Mainz (DE) sowie in einer Gemeinde im Zürcher Unterland.
Hobbys: Diverse Sportarten wie Golf und Tennis. Zudem kocht er gerne und tüftelt mit seiner italienischen Kaffeemaschine am perfekten Espresso.