Der neue Shootingstar

Mit dem Gewinn der PGA Championship 2020 katapultierte sich der 24-jährige US-Amerikaner Collin Morikawa in die Top Five – doch seine Ambitionen sind noch längst nicht gestillt.

Als er am 9. August 2020 im Golfclub Harding Park in San Francisco die Wanamaker Trophy in die Höhe stemmt, passiert ihm das Missgeschick doch noch:

Zum Schrecken von Collin Morikawa rutscht der Deckel von der silbernen Siegertrophäe der 102. PGA Championship und fällt zu Boden. Die Anwesenden amüsieren sich köstlich darüber, und auch der damals 23-jährige Golfprofi lacht. Denn dieser kleine Fauxpas ist der einzige überhaupt, der ihm an diesem ersten Major-Turnier von 2020 unterläuft.

Zuvor hat Collin Morikawa während vier Turniertagen praktisch fehlerlos gespielt, als Rookie die gesamte Golf-Weltelite düpiert und mit zwei Schlägen Vorsprung vor Dustin Johnson und Paul Casey souverän gewonnen. Mit diesem Major-Sieg setzte er an seinem erst 28. Turnier als Profigolfer neue Massstäbe – Vergleiche mit Tiger Woods liessen in der Presse nicht lange auf sich warten.

Trotz dem grossen Erfolg hat das in Los Angeles aufgewachsene Golftalent seine sympathische Bescheidenheit bewahrt. Wir konnten anlässlich der Omega Dubai Desert Classic 2021 per Zoom mit ihm sprechen und sind dabei einem Star begegnet, der keine Starallüren kennt und mit seiner lockeren Art jeden sofort für sich gewinnt. Im Interview lässt Collin keine Anzeichen von Überheblichkeit aufblitzen, zeigt als Multimillionär (bisher gewonnenes Preisgeld: 7,6 Mio. Dollar bis Ende 2020) Bescheidenheit, kichert bei Fragen zu seiner Freundin Katherine Zhu wie ein Teenager und gibt bereitwillig Tipps für andere Golfende.

Collin, für viele war 2020 wegen Corona ein sehr hartes Jahr. Für dich war es aber sehr erfolgreich, schliesslich hast du erstmals die PGA-Championship gewonnen. Wie hat sich das angefühlt?

Alles in allem ist mein Leben derzeit sehr aufregend. Jeder spricht meinen PGA-Erfolg mit einem ­Lächeln an – und so geht es mir auch heute noch. Was kann man sich als junger Spieler mehr ­wünschen, als mit 23 Jahren den Titel am Gürtel zu tragen? Dieser Sieg hat mir viele Türen geöffnet. ­Solche Majors zu gewinnen ist für Golfprofis das grösste Karriereziel. Und wenn das erreicht ist, fragt man sich, was kommt als nächstes?

Du bist mit deinen 24 Jahren extrem erfolgreich – hast du damit gerechnet?

Ganz ehrlich, ich habe immer an mich geglaubt, und ich habe nie daran gezweifelt, dass ein solcher Erfolg möglich ist. Natürlich braucht es dafür ­extrem viel harte Arbeit, Selbstvertrauen, Durch­haltewillen und selbstverständlich auch etwas Glück. Man muss zu 100 Prozent an die eigenen Fähigkeiten glauben, dann lassen die guten Resultate nicht ewig auf sich warten.

Nach deinem Major-Sieg hat deine Leistung trotzdem etwas nachgelassen. Warum?

Das stimmt, ich habe im Herbst einige Cuts verpasst und bin wahrscheinlich etwas faul ge­we­sen. Davor habe ich seit meinem Einstieg auf der Pro Tour 2019 aber 22 Cuts hintereinander geschafft. Ich nehme meine ­Erfolge nicht für garantiert. Diese Haltung möchte ich mir auch für den Rest meiner Karriere erhalten. Ich möchte der Spieler sein, der jedes Mal, wenn er auftritt, alles gibt. Der beste Weg, dieses Ziel zu erreichen, ist so fokussiert wie ­möglich zu sein und Pausen zu machen, wenn man sie braucht.

Das Omega Dubai Desert Classic findet – wie die PGA Championship – wegen Corona ohne ­Zuschauer statt. Hilft dir das, dich im Spiel besser fokussieren zu können?

Nein, bei meinem Sieg war ich so fokussiert wie wohl noch nie in meinem Leben. Aber es ist schon so, dass wir uns auf der Profitour erst daran gewöhnen mussten, dass wir ohne Fans spielen. Anfänglich war das tatsächlich öde, aber wir mussten uns damit abfinden, in einer Turnierwoche ohne Unterstützung von aussen auszukommen.

Was fehlt dir denn ohne die Zuschauer?

Fans bringen einem Spieler in einer extremen Turniersituation viel Energie. Dann gilt es, dieses dabei entstehende Adrenalin in Konzentration umzuwandeln. Ich arbeite dafür seit 16 Jahren mit dem gleichen Mentalcoach zusammen, um solche Situationen meistern zu können. Und ganz ehrlich, ich vermisse dieses Gefühl, die Unterstützung der Fans. Ohne Fans zu spielen ist – um es ganz offen und ehrlich auszudrücken – «scheisse».

Beeinflusst die Corona-Situation dein Leben als ­Golfprofi auch anderweitig?

Grundsätzlich bin ich sehr dankbar, trifft mich die Situation nicht existenziell, wie andere Personen da draussen. Und ja, die Pandemie hat mich über das vergangene Jahr gelehrt, Neuem gegenüber noch offener und flexibler zu sein als bisher. Ich musste lernen, noch mehr das zu tun, was mich verbessert. Ich werde weiterhin so motiviert wie möglich bleiben. Denn ob Fans vor Ort sind oder nicht, meine Motivation bleibt immer die gleiche: Ich möchte jeden meiner Mitspieler da draussen schlagen, egal auf welchem Golfplatz, egal ob im Turnier oder nicht.

Was hast du in deiner täglichen Routine, im Training ändern müssen wegen Covid-19?

Was die Reisen zu Turnieren betrifft, muss man jetzt früher anreisen, um alle Tests über sich ergehen zu lassen. Und ganz ­ehrlich, ich bin jedes Mal ziemlich nervös, bis mein Testresultat erscheint. Denn man weiss ja nie, ob man das Virus irgendwo eingefangen hat oder nicht. Und so schade es ist, dass keine Fans an Turnieren zugelassen sind, spart es uns Profis doch auch Zeit, weil wir täglich keine halbe Stunde Autogramme geben müssen – was ich ja eigentlich sonst sehr mag.

Dann hat die Pandemie deiner Meinung nach also auch ihre «guten» Seiten?

Ja, denn die Pandemie hat Golf auch für viele ­Menschen attraktiv gemacht: für zwei Stunden in die freie Natur gehen und dort mit Familie oder ­Freunden Golf spielen. Natürlich unter Einhaltung des Social Distancing. Wir alle mussten lernen, mit der neuen Situation umzugehen – das wird irgend­wann eine sehr komische Erinnerung sein, auf diese schwierige Zeit zurückzublicken.

Wechseln wir das Thema. Was sagst du zu der ­Behauptung, dass du Teil einer jungen Golftour-Ge­ne­ration bist, die dank neuen Technologien zur ­Tiger-Woods-Generation aufschliesst?

Sicherlich haben die neusten Entwicklungen in der Schläger-Technologie mit dazu beigetragen, dass meine Generation die Lücke zu den etablier­ten und sehr erfolgreichen Golfprofis rasch schliessen ­konnte. Und je mehr Erfolg wir haben, desto grösser wird der Ansporn für die folgende Generation, es uns gleich zu tun.

Wie gehen die älteren Spieler auf der Tour damit um?

Jeder der älteren Generation sieht, wie die Jungen aufholen. Entsprechend strengen sie sich auch wieder etwas mehr an. Da hat sich sicherlich etwas in der Denkweise der Spielenden geändert: Noch vor zehn Jahren hat ein Rookie bei den Profis wohl kaum daran geglaubt, sofort ein Major-Turnier gewinnen zu können – heute ist das komplett anders. Wir haben diese Sieger- und Alles-ist-möglich-Mentalität bereits als Kinder mit auf den Weg bekommen.

Die neuen Technologien sind also wichtig, um auf dem Golfplatz zu bestehen?

Wenn wir auf die Driving Range schauen, benutzen wahrscheinlich 99 Prozent einen TrackMan. Das ist das Golfspiel von heute: Wir müssen die Technolo­gien, die verfügbar sind, bis zu einem gewissen Grad einset­zen, um bestehen zu können. Ich benutze sie beispielsweise, um gewisse Distanzen messen zu können.

Kann man also nur mit Technik-Gadgets sehr gut Golf spielen?

Nein, natürlich nicht. Mein Spiel mit den Eisen kann ich mit den neusten Technologien zwar perfektionieren, aber das Gefühl für die einzelnen Schläger erhalte ich persönlich nur mit möglichst vielen Schlägen auf dem Platz. Diese Fertigkeit gehört zu meinem Spiel und sie hat mich soweit gebracht – nicht die neusten Gadgets oder Technologien. Die mögen für andere aber durchaus wichtige Werkzeuge sein.

Gibt es noch andere Fertigkeiten, die du mit ­Amateur-Golfenden teilen kannst?

Gerne. Beim Training ist beispielsweise wichtig, die Beweglichkeit zu behalten und gleichzeitig die Kraft zu steigern. Wie mache ich das? Ich versuche mit Hilfe der Coaches keine falschen Übungen zu machen und mich dadurch zu verletzen. Viele meinen, wenn man viel Oberkörper-Krafttraining macht und entsprechend Muskelmasse zulegt, dann fliegen die Bälle automatisch weiter, aber das ist zu einfach gedacht. Wichtig ist vor allem, dass man seine ­Rumpfmuskulatur und die Gesässmuskeln trainiert. Dabei sollte man mit kleinen Gewichten anfangen und die Belastung vorsichtig steigern. Dabei immer geschmeidig und gleichzeitig explosiv zu bleiben, das ist die hohe Trainingskunst.

Apropos Kunst: Viele Uhren sind handwerkliche Kunstwerke. Wenn du als Omega-Markenbotschafter eine Uhr wärst, mit welchen speziellen Qualitäten würdest du dich anpreisen?

(Collin lacht.) Mein Eisen-Spiel finde ich eine meiner herausragendsten Qualitäten – das müsste die ­Morikawa-Uhr widerspiegeln. Ich bin ein ganz normaler Typ. Ich wäre also die schnörkelloseste Uhr, die man sich vorstellen kann. Von aussen sehr neutral, im ­Innern aber voller Qualitäten und Finessen.

Und zum Abschluss noch diese Frage: Welchen Platz möchtest du dieses Jahr unbedingt noch spielen und werden wir dich auch in Europa auf einem Golfplatz sehen?

Ich habe den Muirfield Village Golf Club in Dublin, Ohio anlässlich des Memorial Tournaments erstmals gespielt und der Platz hat meine besten Qualitäten hervorgebracht. Auf diesen Platz zurückzukehren, darauf freue ich mich sehr, in ihn habe ich mich verliebt. Was meine Spielplanung anbelangt, ist es mir praktisch unmöglich, in die Zukunft zu schauen. Jedes Land ändert seine Covid-19-Regeln dermas­sen schnell, dass die Situation kaum zulässt, einen fixen Zeitplan aufzustellen. Ich hoffe aber schon, dass sich im Laufe des Jahres auch in Europa noch einige Spielmöglichkeiten ergeben werden.

Text: THOMAS BOROWSKI | Bilder: Getty Images

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