Schon als Fussballer war Gareth Bale «the Golfer». Und nach seinen ersten Gehversuchen als möglicher Golfprofi sagen ihm Experten eine grosse Zukunft voraus.
TEXT: LUKAS RÜTTIMANN | FOTOS: GETTY IMAGES
Wer ist der beste Fussballer der letzten 20 Jahre? Bei dieser Frage fallen oft die Antworten Lionel Messi und CR7, und das aus gutem Grund. Aber eigentlich gehört in diese Diskussion auch der Name Gareth Bale eingeworfen. Pfeilschnell, athletisch, technisch versiert, unberechenbar – in seinen besten Zeiten hat der Waliser zuerst die Premier League und anschliessend La Liga begeistert. Er war ein Albtraum für jeden Verteidiger – und ein Garant für Spektakel für die Zuschauer.
Doch es gibt noch eine andere Sportart, mit der Bale seit einigen Jahren für Schlagzeilen sorgt. Seine Liebe zum Golfsport ist allseits bekannt und einer der Gründe dafür, dass der Waliser wohl nicht als Fussballer-GOAT («Greatest Of All Time»), sondern höchstens als bester Fussball-Golfer in die Sportgeschichte eingehen wird. Schon während seiner Zeit bei Real Madrid trug er den Spitznamen «the Golfer», und das berüchtigte «Wales. Golf. Madrid.»-Banner sorgte, nachdem er seinem Land geholfen hatte, sich für die Euro 2020 zu qualifizieren, für Empörung bei den Fans und den spanischen Medien, die seine Bindung an den geschichtsträchtigen Verein schon länger infrage gestellt hatten. Und das möglicherweise nicht ganz zu Unrecht, denn vor allem zum Ende seiner Real-Zeit schien ihm Golf wichtiger zu sein als die Resultate in der spanischen Meisterschaft.
GOLF ÜBER ALLES
Tatsächlich ist Bale ein Zwei-Handicapper, der jede freie Minute zum Golfspielen nutzt. Er hat seinen eigenen Golfplatz im Garten seines Hauses in Cardiff, der Nachbildungen von drei der berühmtesten Par-3-Löcher der Welt enthält. Zudem hat er das «Par59» eröffnet, eine Bar und ein Restaurant zum Thema Golf in Cardiff und Bristol. An jedem dieser Standorte gibt es Minigolfplätze mit Getränkestationen an jedem Loch und als Caddies verkleidetes Servicepersonal, welches Essensbestellungen entgegennimmt. «Ich liebe Golf. Man kann mit und gegen jeden spielen, mit unterschiedlichen Handicaps oder Spielstärken. Man kann einfach mit seinen Freunden auf den Golfplatz gehen und alles hinter sich lassen», beschreibt Bale seine Leidenschaft für den Sport. Was ihn am meisten inspiriere, sei die Art und Weise, wie die Spitzenspieler unter grossem Druck Leistung erbringen können – und das in einem Sport, in dem der Spielraum für Fehler und der Unterschied zwischen einem guten und einem schlechten Schlag enorm klein ist.
KARRIERESTART IN KALIFORNIEN
Inzwischen hat er das am eigenen Leib erfahren können. Seit seinem Rücktritt als Fussballer am 9. Januar 2023 setzt der Waliser noch stärker auf die Karte Golf. Seinen ersten PGA-Einsatz hatte er unlängst am Pebble Beach Pro-Am in Kalifornien. Dabei beeindruckte er in der Eröffnungsrunde mit versiertem Spiel. So zog Bale bei einem Schlag vom Cart Path am Grün sein Wedge heraus, um zu versuchen, den Ball sanft in der Nähe des Cups zu landen. Der Ball prallte von der Kante des Gehwegs ab und flog über einen Grossteil des Roughs. Zum Glück landete der Ball auf dem Kragen des Grüns und rollte darauf sanft zu einem kurzen Putt.
Obwohl Bale in seiner glanzvollen Karriere, in der er unter anderem fünf Champions-League-Titel mit Real Madrid gewann, oft vor grossem Publikum gespielt hat, gab er offen zu, dass er am ersten Abschlag nervös gewesen sei. «Auch wenn wir es gewohnt sind, vor 80 000 Zuschauern zu spielen, ist es doch ein anderer Sport. Zum Glück habe ich einen meiner besten Schläge auf dem ersten Fairway realisiert.»
SO GUT WIE ALS FUSSBALLER?
Die Frage bleibt indes, wie weit es Bale als Golfer bringen kann. Würde er tatsächlich Profi werden wollen, müsste auch er den steinigen Weg über Qualifying Schools und kleinere Golftouren gehen, bei denen man sich Spielberechtigungen für die grossen Touren verdienen kann. Sein Ehrgeiz ist vorhanden, daran besteht kein Zweifel. Gegenüber einer englischen Zeitung sagte er: «Es geht darum, an den richtigen Aspekten zu arbeiten. Wann immer ich 20 Minuten Zeit habe, schwinge ich sogar ohne Ball vor dem Spiegel, um an kleinen Dingen zu arbeiten und sicherzustellen, dass ich den Schläger richtig halte.»
Geht es nach einem der besten Golfer der Welt, Jon Rahm, hätte Bale gute Voraussetzungen, als Golfer genauso erfolgreich zu werden wie als Fussballer. «Ich sagte zu Gareth: ‘Du kannst nicht gleichzeitig so gut im Profifussball und im Golf sein, das ist einfach nicht fair’», so Rahm. Aber der Mann habe grosses Potenzial. «Und ich bin überzeugt: Wir werden in Zukunft noch von ihm als Golfspieler hören.»