Will Zalatoris hat sich bei Major-Turnieren den Ruf des ewigen Zweiten erspielt. Das tut weh, könnte sich mit etwas Glück – oder einer verbesserten Putting-Technik? – aber bald ändern.
Will Zalatoris hat US-Medien zufolge eine Standardreaktion auf Anfragen für persönliche Interviews, Features und Homestorys: «Warum sollte jemand mit mir sprechen wollen?», soll diese lauten. «Ich habe ja noch gar nichts gewonnen.»
Stimmt im Prinzip. Während sich seine Walker-Cup- 2017-Kollegen Collin Morikawa und Scottie Scheffler gleich zu Beginn ihrer Karriere als Senkrechtstarter erwiesen, lässt der grosse Durchbruch des 2018 zum Profi aufgestiegenen US Amateur Champion des Jahres 2014 noch immer auf sich warten. Ausser einem Einzelsieg in der amerikanischen Sprungbrettliga Korn Ferry Tour und dem verheissungsvollen Titel «PGA Rookie of the Year 2021» hat Zalatoris noch keinen Triumph in seiner Vita stehen. Allerdings war der in Texas lebende Kalifornier schon mehrmals nah dran, einen PGA-Tour- Event und insbesondere ein prestigeträchtiges Grand- Slam-Turnier für sich zu entscheiden. Zu nah, um ihm das Potenzial als zukünftigem Weltranglistenanführer abzusprechen.
Was ihn bislang von einem Major-Titel trennte, lässt sich klar benennen: drei Schläge. Den ersten hatte ihm bei den US Open 2021 der Japaner Hideki Matsuyama voraus, als er ihn am letzten Turniertag mit einem Bogey am 18. Loch knapp übertrumpfte. Nummer zwei nahm ihm nach seiner souveränen Halbzeitführung bei der PGA Championship im Mai 2022 Justin Thomas im Zuge seiner historischen Aufholjagd ab. Nummer drei vergab er bei den US Open 2022 im Juni, als er auf dem 18. Grün des Country Club in Brookline haarscharf einen Putt aus vier Metern, ein Birdie und somit das Play-off mit Matt Fitzpatrick verpasste, um schliesslich gemeinsam mit Scottie Scheffler erneut auf dem undankbaren zweiten Platz zu enden. «Meine Zeit wird kommen», hatte er sich im Mai noch optimistisch gezeigt. Doch der dritte Beinahe-Major-Sieg machte ihm deutlich zu schaffen: «Mit nur etwa sechs Fuss Abstand zum Loch war ich überzeugt, den Sieg in der Tasche zu haben», gab er sich an der Pressekonferenz enttäuscht, und diesmal tue es richtig weh. «Vor allem, weil ich weiss, dass ich es kann», sagte er, ehe er die Bühne mit einem erzwungenen Lächeln dem Sieger überliess.
Doch kann er es wirklich? Ein Teil der Golf-Gemeinde scheint sich da nicht so sicher, wenn man die viral gewordenen Videoaufnahmen seiner geradezu legendär kurzen, unsicheren Putts betrachtet. Unter den User- Kommentaren: «Ich habe mich kaputtgelacht, bis ich keine Luft mehr kriegte.» «So spielt nicht mal ein Hobbygolfer mit hohem Handicap.» Und: «Wahrscheinlich der schlechteste Putt, den ich je gesehen habe.» Tatsächlich zählt der 25-jährige Amerikaner zu den Spitzenspielern mit einer klaren Schwäche, wenngleich ihm sein langjähriger Coach David Price eine steile Lernkurve attestiert und sein von Fans beobachteter Kniff, die linke Hälfte des Shirts zur Stabilisierung des Putts unter die Achselhöhle zu klemmen, scheinbar hilfreich ist. Die eine oder andere One-Putt-Serie lag damit in jüngerer Zeit drin, doch die aktuelle PGA-Tour-Statistik deutet auf viel Luft nach oben hin: Beim Putten belegt Zalatoris lediglich Rang 158.
Demgegenüber steht allerdings eine klare Stärke. Der schlaksige Blonde gilt als starker Angreifer, rangiert in den Statistiken «Off-the-Tee» und «Tee-to-Green» in den Top 6 und führt die Liste bei «Approach the Green» sogar an. «Der Junge hat einen guten Schwung», urteilte Altmeister Bernard Langer unlängst über ihn. «Er ist einer der besten Annäherungsspieler auf der gesamten Tour», zollte ihm denn auch der frischgebackene Major-Champion Fitzpatrick Respekt. Und wie kein anderer verstehe es Zalatoris, sich durch verpatzte Putts nicht aus dem Konzept bringen zu lassen, so Scott Fawcett, Mastermind hinter dem Strategiesystem Decade Golf, mit dem der Golfprofi schon viele Jahre arbeitet. «Das ist es, was Will besser kann als jeder andere Spieler, dem ich je begegnet bin – dieser Mann ist so belastbar wie nur etwas», sagte Fawcett.
Und klar feile er weiter an seiner Technik, gab Zalatoris nach der US-Open-Niederlage an, bestritt allerdings, den Sieg mangels Putting- Geschick verfehlt zu haben. «Ich bin sicher, all die Instagram-Idioten werden behaupten, es habe an einer Fehlhaltung meines linken Handgelenks gelegen», liess er seinem Ärger freien Lauf. «Aber ich kann euch versichern, so war es nicht.»
So oder so steht Zalatoris keinesfalls als Verlierer da. In der offiziellen Weltrangliste belegt er mittlerweile Rang 12, direkt hinter der einstigen Nummer eins Jordan Spieth. Beeindruckender noch: Dank respektabler Top-Ten-Platzierungen nicht nur bei den Majors, sondern auch bei anderen PGA-Tour-Events, wie etwa dem Farmers Insurance Open, konnte sich Zalatoris in der laufenden Saison bereits ein Vermögen von 6,4 Millionen US-Dollar erspielen – ein bittersüsser Rekord, der ihn zum meistverdienenden Profispieler aller Zeiten macht, der noch keinen Sieg erringen konnte.
Senkrechtstart: Ehe sich Will Zalatoris Anfang 2021 den zweiten Platz beim Masters erspielte, hatte ihn kaum jemand auf dem Radar. Am Ende der Saison wurde er für seinen Überraschungserfolg mit dem Arnold Palmer Award als PGA Tour Rookie of the Year geehrt.
Über Will Zalatoris als Menschen ist indes nur wenig bekannt. Am 16. August 1996 kam er in San Francisco zur Welt, wuchs in Texas auf, kam durch seinen Vater, einen Berufspiloten, zum Golf und studierte an der Wake University in North Carolina Psychologie. Er ist ein Einzelkind, das den ehemaligen American-Football- Star Tony Romo aber als seinen «grossen Bruder» bezeichnet und seit seiner Jugend auch mit PGA-Tour- Kollege Jordan Spieth gut befreundet ist. Sein grosses Vorbild ist wie bei vielen Golfern seiner Generation Tiger Woods. Als er unlängst bei der PGA Championship gemeinsam mit seinem Idol auf die Runde ging, litt er gemäss eigener Aussage am «Hochstapler-Syndrom» – so unwürdig habe er sich neben dem 15-fachen Major- Champion gefühlt. Der PGA Tour gegenüber gibt er sich indes loyal: Den Entscheid, Mitgliedern den Start an der LIV Golf Invitational Series zu verweigern, bezeichnete er als «die perfekte Antwort». Als «glücklichsten Tag in seinem Leben» benannte er wiederum die Verlobung mit seiner langjährigen Freundin Caitlin Sellers (über die noch viel weniger bekannt ist) – noch in diesem Jahr soll geheiratet werden.
Doch nicht zu vergessen, welche charakterliche Grösse Zalatoris zeigte, als er von Hollywoodstar Adam Sandler mit dessen blond zerzaustem, unbeholfenem Film-Caddie in der 1996er-Golf-Komödie «Happy Gilmore» verglichen wurde. «Viel Spass heute, junger Mann. Mr. Gilmore beobachtet dich und ist sehr stolz», liess Sandler während der US Open 2021 in einem Tweet verlauten, was im Internet für viel Häme sorgte und den Golfer zum unfreiwilligen Social-Media-Promi machte. Zalatoris darauf cool: «Falls du jemals wieder einen Caddie brauchst, lass es mich wissen. Ich werde diesmal besser sein. Ich bin immer für dich da, Mr. Gilmore.»
Und da wäre auch noch eine gewisse Ähnlichkeit mit dem blonden texanischen US-Schauspieler Owen Wilson, die Zalatoris zugesprochen wird. Bei einer Pressekonferenz darauf hingewiesen, antwortete er in bester owenscher Manier mit einem trockenen «Wow». Wenn ihm bislang keine Siegertrophäe und grüne Jacke vergönnt war – um Himmels willen, gebt diesem Mann wenigstens einen Pokal für guten Humor.
Luft nach oben: Zalatoris gilt als einer der besten Annäherungsspieler auf der Tour, doch in Sachen Putten scheint er noch immer Nachholbedarf zu haben. Laut PGA-Tour-Statistik belegt der Weltranglistenzwölfte in dieser Disziplin lediglich Rang 158.
Weitere Topspieler, die auf einen Major-Sieg warten:
- Tony Finau, 32, USA 3 Profiturniersiege
- Billy Horschel, 35, USA 8 Profiturniersiege
- Sam Burns, 25, USA 5 Profiturniersiege
- Viktor Hovland, 24, Norwegen 6 Profiturniersiege
- Xander Schauffele, 28, USA 7 Profiturniersiege
- Cameron Smith, 28, Australien 7 Profiturniersiege
- Patrick Cantlay, 30, USA 8 Profiturniersiege
- Paul Casey, 44, England Ex-Nr. 2 der Weltrangliste 21 Profiturniersiege